«Für das Suhr der Zukunft wünsche ich mir etwas mehr Gelassenheit im politischen Alltag»
Marco Genoni ist seit 2018 Gemeindepräsident von Suhr. Er hat sich entschieden, an den Gesamterneuerungswahlen im Herbst nicht mehr anzutreten. Das ist aber kein Grund bereits jetzt auf die Bremse zu treten. Suhr ist in Bewegung und formt sich seine Zukunft. Und Marco Genoni ist mitten im Geschehen und möchte noch einiges erledigen.
Herr Genoni, kürzlich lud der Verein «Zukunft Suhr» die Bevölkerung dazu ein, unter dem Motto «Wie sieht DEIN Suhr in Zukunft aus?» Ideen für eine bessere Gestaltung des Aussenraums einzubringen. Wie würden Sie sich die Gestaltung von Suhr wünschen?
Marco Genoni: Für eine gute Lebensqualität nimmt der Wert unseres unmittelbaren Umfeldes an Bedeutung zu. Zwei Aspekte ergänzen sich bestens: Massnahmen, um den Klimawandel im Dorf erträglicher zu machen, bieten gleichzeitig angenehme Aufenthalts- und Begegnungsmöglichkeiten im öffentlichen Raum: Bäume, Sitzmöglichkeiten, Grünflächen, naturnahe unversiegelte Flächen, Aussenflächen für Restaurants und Gewerbe, Wasserspiele usw. Wir arbeiten daran.
Bis zum 13. August läuft auch noch das Mitwirkungsverfahren zum Thema Verkehr. Worum geht es dabei?
Mit dem Kommunalen Gesamtplan Verkehr KGV geht die Gemeinde die grossen Bögen bei der Entwicklung der Mobilität in Suhr an. Ziel ist ein gutes Nebeneinander von Fussverkehr, Radverkehr und Autoverkehr. Mit einer guten Planung sollen Wege, Plätze und Verbindungen sicherer und attraktiver werden.
Bevölkerungsumfragen, Mitwirkungsverfahren und regelmässige Informationsforen– Weshalb scheint es Suhr so wichtig, seine Bevölkerung überall mit einzubeziehen?
Grundsätzlich werden Entwicklungsschwerpunkte und Projekte besser, wenn sie von verschiedenen Perspektivenbetrachtet und diskutiert werden. Wir leben diese Vielfalt bereits im Gemeinderat, aber durch die verschiedenen Möglichkeiten der Mitwirkung durch engagierte Bürgerinnen und Bürger gibt es eine grössere Vielfalt. Der Gemeinderat versucht dann nach Möglichkeit, Ideen und Kritikpunkte aller Beteiligten zu berücksichtigen und einen gemeinsamen Nenner zu finden.
Das Projekt Zukunftsraum ist gescheitert. Welche positiven Aspekte ziehen Sie dennoch aus der Projektarbeit rund um den Zukunftsraum?
Der Austausch mit anderen Gemeinden ist immer befruchtend. Er hilft, sich gegenseitig besser zu verstehen und die eigenen Strukturen und Arbeitsweisen kritisch zu betrachten. Dieses Projekt hat mich jedoch sehr viel Kraft gekostet. Die Positionen waren von Anfang an bereits bezogen. Diese Polarisierung hat zu verhärteten Fronten geführt. Leider fehlt im politischen Alltag oft eine gewisse Gelassenheit. Es ist selten etwas schwarz/weiss.
Es sind Sommerferien! Führt es Sie in der Regel ans Meer oder in die Berge?
Das Meer war wichtig, solange unsere Söhne klein waren. Jetzt bin ich gerne in den Bergen und verbringe ein Teil der Ferien auch gerne in Suhr. Es gibt immer wieder Einiges zum Entdecken und viele interessante Angebote in unserer Region.
Sie stammen aus der Region Airolo. Schlägt das Herz im Eishockey automatisch für Ambri?
Das ist so. Als Teenager war die Valascia ein wichtiger Treffpunkt. Es ging auch nicht nur um Eishockey, sondern auch um die sozialen Kontakte, den Ausgang und das Feiern.
Sind Sie eigentlich mit dem Eishockeytorhüter Leonardo Genoni vom EV Zug verwandt?
Nein, er ist nicht verwandt. Ein Brand hat Ende des 19. Jahrhunderts die Archive in Airolo leider zerstört. Vieles ist verloren gegangen betreffend Geschichte, aber auch in Bezug auf Stammbäume. Deswegen ist eine allfällige Verwandtschaft nicht mehr nachvollziehbar. Gute Reflexe sind ja auch in der Politik wichtig.
Zurück nach Suhr: Wohin ziehen Sie sich jeweils zurück, wenn Sie etwas Abstand und Erholung brauchen?
Kurze Erholung hole ich mich in unserem Garten oder auf der Terrasse. Es tut mir immer gut, wenn ich Zeit finde, ins Boxtraining zu gehen. Es geht um ein intensives Konditionstraining und die Reaktionen werden natürlich auch geübt. Eine tolle Gruppe ausserhalb meiner politischen und privaten Kontakte.
Sie haben entschieden, an der Erneuerungswahl im Herbst nicht mehr anzutreten. Was möchten Sie unbedingt noch abschliessen, bevor Sie abtreten?
Mir ist eine geordnete Übergabe sehr wichtig, weil die Arbeit im Gemeinderat langfristiger Natur ist. Vieles ist gut eingefädelt. Wir haben dieses Jahr die interne Arbeit mit der Kanzlei neu organisiert. Wir haben die Geschäftsleitung gestärkt und sind sehr gut aufgestellt für die nächsten Jahre.
Auf was sind Sie in Suhr besonders stolz?
Ich bin besonders stolz auf unsere Schule. Sie ist organisatorisch und fachlich sehr gut aufgestellt. Wir haben in all den Jahren miteinander (Schulpflege, Schulleitung und Gemeinderat) gemeinsame Ziele verfolgt und so Vieles erreicht. Nach aussen sind vor allem die gute Infrastruktur ersichtlich: alle Kindergärten sind neugebaut oder saniert worden, wir haben für die Primarschule im Feld angebaut und im Dorf mit dem Vinci einen wichtigen Schritt gemacht. Die vielen Investitionen konnten wir nur teilweise aus eigener Kraft finanzieren. Diese Investitionen sind langfristiger Natur. Über eine längere Zeitachse ist Suhr finanziell gut aufgestellt und hat seine Aufgaben gelöst. Nach einem schwierigen Jahr 2020 schätze ich für meine Nachfolgerin oder Nachfolger auch finanziell einen positiven Abschluss fürs Jahr 2021.
Was wünschen Sie sich für das Suhr der Zukunft?
Etwas mehr Gelassenheit im politischen Alltag und Respekt vor allen Personen, die sich politisch für unsere Gemeinschaft einsetzen. Und selbstverständlich hoffe ich, dass Suhr sich weiterhin so positiv entwickelt und dass die Suhrerinnen und Suhrer Freude haben am gemeinsamen Gestalten des Dorflebens.
Zur Person Marco Genoni
Alter: 59
Beruf: Geschäftsführer von rund 2000 Milchproduzenten von Glarus bis Bern
Erlernter Beruf: Ingenieur Agronom ETH
Zivilstand: verheiratet, zwei Söhne
Partei: unabhängig, Mitglied von Zukunft Suhr
Im Gemeinderat seit: 2010
Gemeindepräsident seit: 2018
Aufgewachsen in: Airolo
Lebt in Suhr seit: 2003
Das mag er: feines Essen in guter Gesellschaft oder eine Mountainbike-Tour in der Leventina
Das mag er weniger: die sozialen Ungerechtigkeiten auf dieser Welt