«Die Herausforderung zurzeit ist riesig»
Seit Anfang 2021 steht der SP-Mann Dieter Egli dem Aargauer Departement für Volkswirtschaft und Inneres vor – er ist damit auch Justiz- und Polizeidirektor. Egli war kürzlich Gast im ZTTalk und sprach unter anderem …
… über Überraschungen im ersten Amtsjahr, die er so nicht erwartet hätte.
«Ich bin ja schon lange in der Politik tätig – insofern hat mich von den Themen nichts völlig überrascht.» Was für ihn neu war: «Die Arbeit, die man in einem solchen Amt macht, muss man immer genau dokumentieren.» Man sei immer Rechenschaft schuldig: «Die Politik fragt nach. Das Parlament fragt nach. Die Öffentlichkeit will es wissen. Das habe ich so aus meinem vorherigen Berufsleben weniger gekannt.»
… über den Formstand der Aargauer Wirtschaft nach zwei Jahren Pandemie.
«Die Wirtschaft ist besser in Form, als man es mit Beginn der Pandemie befürchtet hat.» Der Konsum habe nach dem Lockdown im letzten Jahr wieder sehr schnell angezogen. «Ein blaues Auge also – wobei man sagen muss, dass es Branchen gibt, die extrem gelitten haben. Die Gastronomie natürlich, und vor allem die Event- und Reisebranche, der immer noch die Perspektive fehlt.»
… über den starken Franken – und die Frage, wie stark die Aargauer Exportwirtschaft darunter leidet.
«Die Aargauer Unternehmen sind mehrfach krisenerprobt.» Mit der schwierigen Währungssituation hätten sich die Unternehmen inzwischen abgefunden. «Es ist eine grosse Qualität vor allem auch der KMU – in der Schweiz und im Aargau – dass sie sich aufs Umfeld einstellen können.»
… über die Frage, ob der Kanton die Beizer umfassend genug unterstützt hat.
«Für die Gastronomie war es sehr wichtig, dass man schnell und unkompliziert half. Das konnten wir im Kanton Aargau umsetzen, und das half der Gastronomie extrem», sagt der Volkswirtschaftsdirektor. «Die Frage, wie viel man auszahlt, ist natürliche eine schwierige Frage; es waren auch nicht alle Restaurants gleich stark betroffen. Mehr zahlen könnte man immer – aber ich denke, wir konnten adäquat helfen – und auch gezielt.».
… über die Folgen der Pandemie – und die Tatsache, dass Personen, die öffentlich exponiert sind, Beschimpfungen und Drohungen erleben.
«Ich selbst wurde nicht bedroht», sagt Egli. Aber: Er wisse von Leuten, die in der nationalen Politik exponiert seien, und «mit massiven Drohungen leben mussten».
… über den schwierigen Job der Polizei, die die Corona-Regeln durchsetzen mussten.
«Polizistinnen und Polizisten sind sehr exponiert. Sie sind jene, die an der Front sind.» Aber: «Sie sind es gewohnt, mit so schwierigen Situationen umzugehen. »
… über die steigenden Anforderungen an die Gemeinderäte – und die Grenzen des Milizsystems.
«Tatsächlich werden die Anforderungen immer grösser und komplexer. Für grössere Gemeinden ist das einfacher zu stemmen, kleinere kommen an ihre Leistungsgrenzen. Die Menschen werden dünnhäutiger. Man kann weniger gut mit Kritik umgehen.» Für Milizpolitiker stelle dies eine grosse Belastung dar. «Hier kommen wir an die Grenzen der Möglichkeiten des Milizsystems. »
… über bleibende gesellschaftliche Schäden nach zwei Jahren Pandemie.
«Ich wäre nicht Politiker, wenn ich nicht glauben würde, dass man die Gesellschaft verändern kann – dass man sie auch zum Besseren verändern kann.» Aber: «Die Herausforderung zurzeit ist riesig. Man merkt, dass die Menschen langsam krisen- und pandemiemüde sind. Man spürt, dass die Diskussionen viel härter geführt werden. Das ist eine Situation, die unser ganzes Staatswesen auf den Prüfstand stellt.» Die Politik stehe vor der Aufgabe, die Menschen, die sich abgehängt fühlen, abzuholen. In den USA sehe man Bilder, «die einem Angst machen». Wenn Menschen nicht mehr bereit seien, an das Wesen des Staates zu glauben und das Gefühl hätten, niemand biete ihnen etwas, «werden sie offen für Verschwörungstheorien».
… über seinen kürzlich geäusserten Wunsch, als Laienschauspieler wieder einmal auf der Bühne zu stehen.
«Das war eine ernste Aussage», sagt Dieter Egli. «Es würde mich unglaublich reizen, wieder einmal Theater zu spielen. Es wäre schön, wieder einmal auf der Bühne zu stehen. Ein kurzer Auftritt mit grosser Wirkung: Dafür wäre ich zu haben. Wenn sich die Möglichkeit ergibt, sage ich sofort zu.»
INTERVIEW: PHILIPPE PFISTER
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