«Olympische Spiele in der Schweiz erachte ich zurzeit als unrealistisch»
Daniel Plattner (84) ist noch immer sehr am Sportgeschehen interessiert. Der ehemalige Präsident von Swiss Olympic (1985 bis 1996) erfreut sich an den Erfolgen der Schweizer Athletinnen und Athleten, erkennt aber auch Schwachstellen im System. Zudem macht ihm die Entwicklung im Internationalen Olympischen Komitee (IOC) Sorgen.
«An den Schweizer Erfolgen in Peking freue ich mich natürlich sehr», sagt Daniel Plattner. Der Oberentfelder war von 1972 bis 1996 in verschiedenen Funktionen im Schweizer Sport tätig, während 12 Jahren (1985 bis 1996) gar Präsident von Swiss Olympic. Noch heute profitiert der Schweizer Sport von Plattners Ideen und Umsetzungen. So gründete er unter anderem SwissTopSport, die Vereinigung der bedeutendsten Sportveranstalter der Schweiz. Die hatten zuvor kaum Kontakt miteinander und missgönnten sich Erfolge. Mit Mut, Flair und der nötigen Diplomatie formte Daniel Plattner aus den prominenten Einzelgängern ein Team, das heute am selben Strick zieht: Gemeinsam definieren die SwissTopSport-Veranstalter Ziele, für die sie sich dann als Einheit gegenüber Politik, Wirtschaft und Öffentlichkeit einsetzen.
Los Angeles 1984 war ein richtiges Sportfest
Daniel Plattner war früher Mittel- und Langstreckenläufer. Weil er, wie er selbst sagt, «nicht das Zeug zum Weltmeister hatte», stieg er ins Trainingswesen ein, bildete sich in Magglingen zum Leichtathletik-Instruktor aus und wurde 1971 beim neu gegründeten SLV Chef der Nationalkader. Nach dem Eintritt beim Schweizerischen Olympischen Komitee (dem Vorgänger von Swiss Olympic), wählte ihn die Generalversammlung als Chef de Mission für die Sommerspiele 1984 in Los Angeles. Die Spiele in den USA bringen Plattner noch heute ins Schwärmen: «Das war ein riesiges Sportfest mit vollen Stadien, getragen von einem fantastischen und äusserst fairen Publikum.» Emotional am wenigsten berührt haben ihn die Spiele 1996 in Atlanta, obwohl sie aus Schweizer Sicht erfolgreich waren. Als Höhepunkt während seiner Amtszeit bezeichnet Daniel Plattner die Winterspiele in Calgary (Kanada), als die Schweiz 5x Gold, 5x Silber und 5x Bronze gewann. Problemlos zählt der Oberentfelder noch heute jeden Medaillengewinner einzeln auf.
Das IOC will die Spiele gar nicht redimensionieren
«Verstehe nicht, dass man mit Winterspielen nach Peking geht», sagt Daniel Plattner. Erstaunt ist er aber nicht, «denn das IOC spricht ja ständig von Redimensionieren, macht aber auf der anderen Seite genau das Gegenteil.» So würden neue Disziplinen geschaffen, um das Programm aufzublasen. Auf der anderen Seite habe das IOC keinen Mut, gewisse «alten Zöpfe» abzuschneiden. «Leider geraten die finanziellen Aspekte immer mehr in den Vordergrund, der Sport in den Hintergrund», nimmt Daniel Plattner kein Blatt vor den Mund. Den IOC-Präsidenten Thomas Bach (De) bezeichnet Plattner als Opportunist, der alles unternehme, um bei den Organisatoren und den IOC-Mitgliedern gut dazustehen, um möglichst lange IOC-Präsident zu bleiben. «Das ist dem Sport nicht dienlich», ist Plattner überzeugt.
Zu teure Administration
Den Schweizer Sport erachtet Daniel Plattner zurzeit als «gut aufgestellt». Der Bund habe in den letzten 20 Jahren viel dazu beigetragen, dass die Schweizer Athletinnen und Athleten dank der Spitzensport-RS, den Spitzensport-WKs, aber auch der Möglichkeit als Spitzensport-Zeitmilitär, sportliche Fortschritte gemacht und schöne Erfolge nach Haus gebracht haben. Nachholbedarf sieht Daniel Plattner noch im Bereich der Trainerausbildung, wo noch zu viel von einzelnen Köpfen abhänge. Ein richtiger Dorn im Auge sind dem Oberentfelder die «Bürogeneräle». «Es geht viel zu viel Geld in der Administration verloren», betont Plattner. «Da könnte in vielen Bereichen gespart werden, ohne einen Qualitätsverlust.» Daniel Plattner glaubt erst wieder an die Möglichkeit von Olympischen Spielen in der Schweiz, wenn sich das IOC wirklich dazu durchringt, wieder «normale Spiele» organisieren zu wollen, bei denen der Sport und nicht primär das Geld im Mittelpunkt steht. Kenner der Szene glauben, dass es vorher «schwarz schneit».