Die Natur braucht unsere volle Unterstützung
Es kreucht und fleucht, zirpt und zwitschert, gedeiht und blüht heute wieder im Feuchtgebiet in Uerkheim. Vor zwölf Jahren sah es hier noch ganz anders aus. Damals wurde zwischen Bottenwil und dem Uerkenweiher das Bett der Uerke aufgeweitet. Im Rahmen der Renaturierung wurden zusätzlich Tümpel geschaffen und Drainagen entfernt, um die Wiedervernässung der Wiese zwischen dem Wald und der Uerke zu fördern. «Wir haben hier ein gutes Beispiel dafür, wie wir uns die Umsetzung der Initiative vorstellen», erklärt Matthias Betsche, der Geschäftsführer von Pro Natura Aargau.
Der Naturschutzverein hat zusammen mit dem Aargauischen Fischereiverband, Bird Life Aargau, dem WWF und dem Landschaftsschutzverband Hallwilersee die Gewässer-Initiative lanciert. «Der Kanton ist mit einer Studie zum Schluss gekommen, dass die bestehenden Feuchtgebiete nicht ausreichen, um die Biodiversität zu schützen», sagt Matthias Betsche. «Mit anderen Worten: Aktuell sterben trotz Schutzbemühungen lokale Tier- und Pflanzenarten aus.»
Laut der kantonalen Studie müssen rund 1000 Hektaren neue Feuchtgebietsflächen geschaffen werden. Die Gewässer-Initiative gibt Kanton und Gemeinden den Auftrag, diese erforderlichen Flächen zu schaffen. In den letzten 100 Jahren sind 90 Prozent der ursprünglichen Feuchtgebiete des Kantons Aargau durch Entwässerung und Urbarmachung verschwunden. «Das entspricht 14’000 Hektaren, also möchten wir nur einen Bruchteil davon wieder für die Natur aufwerten. Das sollte doch möglich sein», sagt Matthias Betsche. Er ergänzt: «Es besteht dringender Handlungsbedarf. Das zeigt sich am Beispiel, dass im Aargau nur noch an wenigen Orten gewisse Fischarten wie die Nase oder Vögel wie Kiebitze, Zwergdommeln und Bekassinen vorkommen.»
Amphibien sind auf Lebensräume angewiesen
In diesem Moment zischt ein Eisvogel über die Uerke. Ein Feuchtgebiet bildet für viele Tierarten einen Lebensraum. Sogar der Biber ist hier zuhause; ein angenagter Baumstamm ist Zeuge. «Die Renaturierung der Uerke war auch für Fische und die Amphibien hier von grosser Bedeutung», sagt Ulysses Witzig, Geschäftsführer von Creanatira, einem Tochterunternehmen von Pro Natura Aargau. Die Amphibien haben von der renaturierten Uerke, der wiedervernässten Feuchtwiese und den Tümpeln profitiert. «Für Amphibien ist es wichtig, dass Wasser- und Landlebensräume vernetzt sind, da sie im Laufe des Jahres beide brauchen», sagt Witzig und zeigt auf das Seggengras in der Wiese – ein klares Indiz dafür, dass die Stelle feucht ist. Zwischen dem Ufergehölz der Uerke, wo Dornensträucher wie zum Beispiel Kreuzdorn zusätzlich angepflanzt wurden, und dem Waldrand liegt eine saftige Wiese. Hier finden Mutterkühe geeignetes Futter.
Über die Hälfte ist Biodiversitätsförderfläche
Das Land hier bewirtschaftet Georg Dällenbach, ein Bio-Landwirt. «Viele Berufskollegen bezeichnen mich als ‹Blüemli-Puur›», sagt er und lacht. Für Dällenbach ist die Erhaltung und Förderung der Artenvielfalt ein wichtiger Aspekt seiner Tätigkeit und ein Standbein seines Betriebs. Er hat mit dem Kanton einen Vertrag zur Biodiversitätsförderung abgeschlossen. Darin sind bestimmte Bewirtschaftungsmassnahmen definiert. Wenn er sie einhält, erhält Dällenbach Direktzahlungen vom Staat.
Insgesamt ist über die Hälfte des von ihm bewirtschafteten Landes Biodiversitätsförderfläche – ein Anteil, der weit über dem staatlich vorgeschriebenen Minimalwert liegt, wie Ulysses Witzig bemerkt. Im Herbst wird das Gebiet eingezäunt und die Kühe von Dällenbachs Hof weiden hier. Ihr Mist dient den Pflanzen und Lebewesen vor Ort wiederum als eine Lebensgrundlage, ein kleinräumiger Kreislauf entsteht.
Mit der Gewässer-Initiative sollen weitere naturnahe Feuchtgebiete für einen besseren Schutz des Lebensraumes Wasser und für mehr Biodiversität sorgen. Mehr revitalisierte Gewässer sollen die ökologischen Folgen intensiv genutzter Flächen besser kompensieren. Zudem stellen revitalisierte Gewässer und intakte Feuchtgebiete einen besseren Hochwasserschutz dar. Matthias Betsche ist zuversichtlich, dass Pro Natura Aargau die nötigen Unterschriften bald zusammen bringt, um an der Urne über die Initiative abstimmen zu können.