Sport Forum Aargau versetzte Berge
Die ehemalige Spitzen-Biathletin Selina Gasparin eröffnete den Abend mit einer charmanten Begrüssung auf Rätoromanisch, bevor sie vom 14. Februar 2014 erzählte – dem einen Tag, für den sie ein Leben lang gekämpft und der ihr Leben verändern hat. Die heute 38-jährige Bündnerin gewann an diesem Tag in Sotschi Olympia-Silber über 15 km Einzel. «Ich habe heute noch Gänsehaut, wenn ich diese Bilder sehe», gab Gasparin zu, warnte aber gleichzeitig auch davor, sich davon blenden zu lassen. «Preisgeld, Follower, Medaillen, Medienpräsenz, das ist nicht der Erfolg, sondern eine Konsequenz davon. Erfolg ist vielmehr eine tiefe Emotion, das Kämpfen, das Schmerzen aushalten, eine unglaubliche Leistung bringen.»
Die bis heute erfolgreichste Schweizer Biathletin erklärte dem Publikum anschaulich, dass Training so einfach wie Kochen sei. «Man muss wissen, was (Sportart) man kochen will und das Rezept (Trainingsplan) gibt vor, wie man das gewünschte Menu (Ziele, Medaillen) auf den Teller bekommt. Die Menge (Stundenanzahl) ist ebenfalls entscheidend. Etwas zu viel Salz und alles war für die Katz.»
Etwas fehl am Platz fühlte sich danach Ludwig Hasler, der während seines Auftritts mit einem Augenzwinkern meinte, er wisse nicht recht, warum er eigentlich zum «Sport Forum Aargau» eingeladen worden war. Der 77-jährige Philosoph und Publizist wusste das Publikum aber mit seinen witzigen Pointen zu fesseln. Sport sei Bildung, es ginge es vor allem darum, Bedingungen zu stärken, um diese besser zu nutzen. «Bildung ist nicht das, was man Menschen eintrichtert, sondern das, was man aus Menschen herausholt», so Hasler. Sport spiele in dieser Hinsicht eine wesentliche Rolle.
Premiere mit Sport-Talk
Erstmals erhielten explizit Aargauer Sportlerinnen und Sportler eine Plattform am «Sport Forum Aargau». Im Aargauer Sport-Talk stellten sich OL-Läufer Matthias Kyburz, Siebenkämpferin Lucia Acklin, Wasserspringerin Michelle Heimberg und Alex Hürzeler, Regierungsrat und Aargauer Sportminister, den Fragen von Moderator Peter Pfändler. Während die erst 15-jährige Acklin ihre Sportkarriere noch vor sich hat und die Olympischen Spiele 2028 in Los Angeles als grosses Ziel nennt, kündigte Matthias Kyburz durch die Blume seinen baldigen Rücktritt an, auch wenn er sich noch nicht ganz festlegen wollte: «Ich werde sicher noch die Heim-WM 2023 in Flims Laax bestreiten, danach habe ich es dann vermutlich gesehen.»
Wasserspringerin Michelle Heimberg, zweifache EM-Silbermedaillengewinnerin und Olympia-Finalteilnehmerin in Tokio, visiert eine Olympia-Teilnahme 2024 in Paris an. «Trainieren muss ich aber leider im Kanton Zürich, da es im Aargau keine geeigneten Trainingsmöglichkeiten gibt», konnte sich die 22-Jährige einen kleinen Seitenhieb gegen Sportminister Alex Hürzeler nicht verkneifen.
Alpinismus ist nicht messbar
Höhepunkt des Abends war der Vortrag des Extrembergsteigers Reinhold Messner, der 1978 als erster Mensch den Mount Everest ohne Sauerstoffflaschen bestieg. Der 77-jährige Südtiroler hat in seiner Karriere nicht nur alle vierzehn Achttausender bestiegen, sondern auch die Antarktis und die Arktis überquert. Messner hielt ein Plädoyer für den Alpinismus, den er nicht als Sport betrachtet, denn: «Sport braucht Messbarkeit, Alpinismus ist nicht messbar. Das Ziel ist es, dorthin zu gehen, wo man umkommen könnte, ohne umzukommen.»