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«Zäme für eusi Schwiiz – zäme stark!»

Liebe Aargauerinnen, liebe Aargauer, liebe Leserinnen, liebe Leser

In diesem Jahr ist alles anders. Wegen der Corona-Pandemie trat vieles in den Hintergrund, was vorher wichtig war. Vieles, was von langer Hand geplant war, musste abgesagt werden – so leider auch ganz viele 1. August-Feiern. Ich habe mich darauf gefreut, zusammen mit der Bevölkerung unsere Schweiz zu feiern und die traditionelle 1.-August-Rede in Schöftland zu halten. Weil die Feier in diesem Jahr nicht durchgeführt werden kann, habe ich meine Ansprache auf Video aufgenommen. Meine Botschaft finden Sie ab dem 1. August auf der Internetseite unter www.schoeftland.ch oder untenstehend in schriftlicher Form.

Die Fähigkeit, unbeschadet – ja sogar gestärkt – aus Stress- und Krisensituationen herauszugehen, nennt sich «Resilienz ». Der Begriff Resilienz hat seine Ursprünge in den 50er-Jahren. Damals untersuchte eine Entwicklungspsychologin, warum einige Kinder, welche in prekären Verhältnissen aufgewachsen sind, ihr Leben trotzdem meistern und warum andere dies nicht schaffen. Gründe gab es unterschiedliche. Einer aber war besonders wichtig: Diejenigen, welche zu fürsorglichen, selbstbewussten und erfolgreichen Erwachsenen herangewachsen sind, hatten meist selber eine liebevolle Bezugsperson im Leben, die sich um sie kümmerte. Und das machte sie belastbar, gab ihnen innere Stärke.

Heute gibt es Resilienzkurse für Teams, Führungskräfte, Lehrpersonen, Resilienztrainings mit Hunden oder Pferden und unzählige Ratgeber in Buchform. Aber auch für ein Land ist Resilienz wichtig. Üben lässt sich die Widerstandsfähigkeit allerdings nur bedingt. Und sie zeigt sich erst im Ernstfall. Bei uns in der Schweiz hat sie sich gezeigt. Wir haben während der Corona-Pandemie gesehen, dass unser Land und seine Menschen eine Krise bewältigen können. Und das hat viele Gründe. Die Bürgerinnen und Bürger vertrauen dem Staat und den Institutionen und halten sich an die Regeln. Bei uns finden in Gesellschaft und Politik intensive, aber sachliche Auseinandersetzungen und Debatten statt. Und wir haben eine starke und funktionierende Demokratie, welche fähig ist, vorgängige Entscheide, wenn nötig, auch zu korrigieren und aus Erfahrungen zu lernen. In autokratisch regierten Ländern kann man einen solchen Lernprozess nicht beobachten. Hier versucht die Herrscherklasse vielmehr, Fehlentscheide zu vertuschen, schönzureden und externe Schuldige zu finden. Wichtig für die Resilienz eines Staates sind auch die Solidarität und Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung. Auch diese konnte man in den letzten Monaten überall in der Schweiz und hier im Aargau sehen und spüren.

Die Schweiz ist widerstandsfähig. Wir meistern die Krise. Damit ist es aber noch nicht getan. In einem zweiten Schritt wird es darum gehen, aus der Krise zu lernen, offen zu bleiben auch für unvorhersehbare Dinge und schliesslich auch den Wandel als Chance zu begreifen. Eine Krise ist immer auch eine Chance, sie bietet Möglichkeiten, uns weiterzuentwickeln, uns dort zu bewegen, wo wir uns festgefahren haben. Sie ist eine Gelegenheit, sich neu zu erfinden. Neuen Schub kann unser Land durchaus gebrauchen, etwa im Bereich des Umweltschutzes oder bei der Sicherung der Vorsorge. Auch den Digitalisierungsschub gilt es jetzt zu nutzen und die digitale Transformation voranzutreiben. Die Digitalisierung, das hat sich gezeigt, hat viele Vorteile und sie macht uns nicht zuletzt auch resilienter in Krisenzeiten. Sie gibt uns die Möglichkeit, bei einer Pandemie den nötigen Abstand zu wahren und trotzdem mobil zu bleiben, uns auszutauschen, zu arbeiten.

Ist die Schweiz genug resilient, um die Krise nicht nur zu meistern, sondern auch gestärkt daraus hervorzugehen? Für mich besteht kein Zweifel daran. Denn auch unser Land hat «liebevolle» Bezugspersonen, die sie in Krisenzeiten wie auch in normalen Zeiten stützen. Das sind die Bürgerinnen und Bürger. Das sind Sie, liebe Aargauerinnen und Aargauer. Menschen, die sich um die Mitmenschen kümmern. Menschen, die unser Land und seine Menschen lieben. Unsere Schweiz, und damit wir alle, haben das Glück, uns auf viele solche Menschen stützen zu dürfen. Die Schweiz wird vom Engagement und der Identifikation der Bürgerinnen und Bürger mit unserem Staatswesen getragen und zusammengehalten. Bürgerinnen und Bürger, die sich in der Politik, in Vereinen, Nachbarschaften und Familien engagieren, die unaufgeregt und sachlich handeln und politisieren, die Strategien und Ziele für unser Land haben und diese einbringen, die optimistisch bleiben und auch Verständnis für das Gegenüber aufbringen. Die Menschen sind der eigentliche Erfolgsfaktor unseres Landes.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen schönen Nationalfeiertag und danke Ihnen allen für Ihren ganz persönlichen Einsatz für Ihre Gemeinde, den Aargau und für die Schweiz. Herzlichen Dank! Zäme für eusi Schwiiz! – zäme stark!

Dr. Markus Dieth
Landammann Kanton Aargau