Baureportage Schulhaus Muhen
Vorbei ist die Zeit, wo die Schule Muhen vor allem eine grosse Baustelle war. Das neue Schulhaus, die Doppelturnhalle und der neue Doppelkindergarten sind fertig. Für 23 Millionen Franken entstanden sie in zweieinhalbjähriger Bauzeit. Wegen der Corona- Krise kann das grosse, viertägige Einweihungsfest im Juni jedoch nicht stattfinden.
Als das Sieger-Projekt der Stoos Architekten AG aus Brugg mit dem Namen «Mamma Mmmuh!» vor drei Jahren der Bevölkerung vorgestellt wurde, bezeichnete es Gemeindeammann Andreas Urech als «Jahrhundertbauwerk». Der Spatenstich zu den Ersatzneubauten der Schule Muhen erfolgte im August 2017. Da waren das 70-jährige Primarschulhaus und die alte Turnhalle bereits abgerissen. In zweieinhalbjähriger Bauzeit entstanden zwei neue Gebäude: ein neuer Doppelkindergarten und ein grösserer Schulkomplex mit einer Doppelturnhalle unten und darüber den Schulräumen.
Ursprünglich sollten die Ersatzneubauten im Juli 2019 eröffnet werden. «Dass dieses Wunschdatum nicht erreichbar sein wird, wussten wir schon seit Vorliegen des Bauprojekts», erklärt Andreas Urech, «schlussendlich betrug die Verzögerung gegenüber dem geplanten Termin von Ende Dezember 2019 rund zwei Monate, was unter dem Strich betrachtet nicht so schlecht ist.» Seit Ende Februar dieses Jahres sind sämtliche Gebäude möbliert und betriebsbereit. Ende März fand unter den Vorschriften der Corona-Pandemie der Umzug des Schulmaterials der Lehrer statt.
Letzte Bauarbeiten laufen
«Zur Zeit wird noch an der Zufahrt in das Schulareal ab der Schulstrasse und beim Allwetterplatz zwischen Neubau und dem Schulhaus Gibel (alte Bezeichnung ‹Nord›) gearbeitet. Nach Fertigstellung der Fundationsschicht des Allwetterplatzes werden Ende Juli noch die Kunststoffbeläge der Laufbahn und des Allwetterplatzes eingebracht», erklärt Muhens Bauverwalter Heinz Hauptlin.
Gemeindeammann rechnet mit einer «finanziellen Punktlandung»
Werden die Baukosten durch die Bauverzögerung und Projektänderungen die budgetierten 23 Millionen Franken überschreiten? Dazu sagt Andreas Urech: «Aktuell sieht es ziemlich nach einer Punktlandung aus. Natürlich liegen noch nicht alle Endrechnungen vor. Aber man darf davon ausgehen, dass die 23 Millionen reichen, auch unter Berücksichtigung der zusätzlichen Investitionen wie zum Beispiel der neuen Photovoltaikanlage sowie der kompletten Neuanschaffung des Mobiliars für die Doppelturnhalle.»
Impressionen aus der Bauzeit der Schule Muhen
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Schulstart am 11. Mai
Ursprünglich war geplant, den Schulbetrieb nach den Frühlingsferien zu starten. An dieser letzten kleinen Verzögerung ist das Coronavirus schuld. Nun erfolgt der erste Schultag im neuen Schulhaus am Montag, 11. Mai, zeitgleich mit dem Ende des Lockdown des Bundes. «Leider nicht mit einem würdigen Dorffest», wie Gemeindeammann Andreas Urech bedauert, «aber gerade in diesen Tagen ist das ein schönes Zeichen, dass das Schulhaus seinem Bestimmungszweck zugeführt werden kann.»
Kein Fest, oder doch?
«Es wird bestimmt noch ein Fest geben für die Bevölkerung », verspricht Andreas Urech. Wann genau, und in welchem Rahmen, darüber wird das OK des Dorffestes Anfangs Juni beraten.
Texte: KF | Bilder: Raphael Nadler, Kaspar Flückiger
Neues Schulensemble bildet ein Gegenüber zur Kirche
Bericht des Architekten: Stoos Architekten AG, Brugg
Städtebau und Architektur
Die Gliederung und räumliche Strukturierung der Schulanlage Muhen geschieht mit der präzisen Setzung von zwei Ersatzneubauten. In der gesamtheitlichen Betrachtung der gewachsenen Strukturen versucht das Projekt vorhandene räumliche und landschaftliche Qualitäten klarer zur Geltung zu bringen und kräftiger erlebbar zu machen. Präzise Kiesflächen mit Linden und Baumreihen strukturieren die gebildeten Freiräume und setzen innerhalb der Gesamtanlage räumliche Akzente in Bezug zu den bestehenden und den neuen Bauten.
Die neuen Räumlichkeiten der Primarschule sind auf der Doppelturn-/Mehrzweckhalle angeordnet. Die Setzung des kompakten, zweigeschossigen Baukörpers mit seiner Längsseite entlang des westlichen Randes des Bearbeitungsperimeters präzisiert einerseits den durch die Schulbauten gerahmten geschützten inneren bis an die Suhre reichenden Freiraum. Zum anderen lässt der Ersatzneubau mehr Raum zum begrenzenden Trassee der Eisenbahn und erzielt somit das Potenzial zu einer neuen Gewichtung und Wertung der Ostseite der Schulanlage.
In der nordwestlichen Ecke des Baukörpers liegt der Eingang zum Sporthallenbereich. Der in der nördlichen Erweiterung liegende, neue Allwetterplatz nimmt die Fluchten des Schulhauses Nord auf und schafft den Anschluss zum neugestalteten, gedeckten Pausenbereich der Oberstufe.
Die Zufahrt für Anlieferungen erfolgt durch einen Stich von der Schulstrasse auf das Schulareal und bei grösseren Anlässen ausserhalb der Schulzeiten kann der Platz beim Sporthallenzugang auch als temporärer Parkplatz genutzt werden.
Die Schulanlage erstreckt sich westlich entlang der Hauptstrasse und der Wynental-/ Suhrentalbahn (WSB). Die bisherige rückwärtige Haltung zur Verkehrslinie wird aufgelöst. Mit der ostseitigen Haupterschliessung der Unterstufe bzw. der im Süden liegenden Kindergartennutzungen erhält die Ostseite ein Gesicht. Fussläufig über die südöstlich gelegene Unterführung zu erreichen, bildet der eingeschossige Neubau Kindergarten zusammen mit dem bestehenden Kindergarten ein kleines unabhängiges Ensemble innerhalb des Ganzen.
Im heterogenen Umfeld orientiert sich die Architektur der neuen Gebäude an einem gefassten Charakter, wie er dem alten Schulhaus Ost zugrunde liegt. Die einfachen Baukörper zeigen in ihren Fassaden ein ruhiges, repetitives Abbild der inneren, flexiblen Struktur. Das Spiel mit horizontalen und vertikalen Elementen bestimmt ihren Ausdruck. Die Gitterstruktur der vertikalen Lüftungsflügel gliedert den hohen Öffnungsgrad. Im Schulhaus führen hori- Ein Schulzimmer im neuen Schulhaus Breite Bilder: Roger Frei, Zürich zontale Bänder in die Betonung der Eingangsbereiche. Im Kindergarten entwickeln sich diese in den Abschluss der überhohen Unterrichtsräume. Die nach aussen verschieden in Erscheinung tretenden Aufbauten mit seitlichem Lichteinfall artikulieren die innere Struktur der Lernlandschaften.
Die neue Schulanlage ist so angelegt, dass die Kinder im Laufe ihres Heranwachsens vom im Süden gelegenen Kindergarten Schritt für Schritt immer weiter Richtung Norden gehen, bis sie mit dem Sekundarschulhaus die oberste Altersklasse erreicht haben.
Entlang des Bahntrassees reihen sich in verschiedenen Freiraumtiefen das Gemeindehaus, das ehrwürdige Schulhaus Ost, der Neubau des Primarschulhauses mit Sporthalle und der neue Kindergarten im Süden und bilden gemeinsam einen Freiraum. Es entsteht ein zusammenhängender Ort und das Schulensemble bildet ein Gegenüber zur Kirche.
Freiraum
Die neue Schulanlage ist so angelegt, dass die Kinder im Laufe ihres Heranwachsens vom im Süden gelegenen Kindergarten Schritt für Schritt immer weiter Richtung Norden gehen, bis sie mit dem Sekundarschulhaus die oberste Altersklasse erreicht haben. Diese Entwicklung begleiten die Freiräume, so dass die Kinder je nach ihrem Bedürfnis und ihrem Entwicklungsstand immer in ihrer nahen Umgebung auf sie abgestimmte Anregungen finden. Die Übergänge vom Angebot für den Kindergarten bis hin zur Oberstufe sind fliessend und überlappen sich, so dass den unterschiedlichen Kindercharakteren ein möglichst vielfältiges Spielund Aufenthaltsangebot zur Verfügung steht. Durch die Setzung markanter Baumkörper und -reihen, wird der Pausenraum übergeordnet zusammengefasst und das Schulhaus Ost in seiner Erscheinung gestärkt.
Während der Kindergarten in ein lichtes, zum Spiel einladendes Wäldchen eingebettet ist, zeichnen sich die Pausenräume der Primar- und Oberstufe durch flexibel nutz- und bespielbare Hartbelagsflächen aus. Die geschnittenen Linden stehen in Kiesfeldern, Sitzmöglichkeiten sowie Spiel- und Kletterelemente laden zum Spielen ein und bieten Nischen an. Zur Bahn hin übernimmt ein breiter Heckenkörper sowie das Pausendach des Schulhauses Ost, die räumliche und funktionale Abschirmung.
Der zwischen Turnhallengebäude und Sekundarschulhaus aufgespannte Allwetterplatz besteht zur Hälfte aus einem Kunststoffbelag, eingebettet in einen allen Zwecken offenstehenden Asphaltbelag. Niveauunterschiede werden akzentuiert und bieten als Sitzstufen auch Aufenthaltsqualitäten. Eine Ahornreihe entlang vom Neubau bildet den Übergang vom bebauten Areal zur offenen Sport- und Spielwiese.
Raum- und Nutzungskonzept
Grosszügige, überdachte Eingangsbereiche laden ein, das neue Primarschulhaus mit den Turnhallen zu betreten. Die Zugänge im Nordwesten und Südosten des Gebäudekörpers liegen diagonal entgegengesetzt und lassen eine betriebliche Trennung ohne Beeinträchtigung zwischen Schul- und Sportnutzungen sowie öffentlichen Anlässen zu. Multifunktional ausgebildet, schaffen die Eingangshallen räumliche Bezüge zu ihrer jeweiligen Nutzung. Das Foyer der Turnhalle ist als Galerie auf beide Hallenbereiche ausgebildet. Das Foyer der Unterstufe lädt ein zum Verweilen, Lernen, Essen und gewährt Einblick in den doppelthohen Mehrzweckraum, der auch als Bühne zu den Hallen dienen kann und vom gedeckten Pausenplatz zu überblicken und belichtet ist. Die Schulsozialarbeit und das Büro des Hauswarts liegen an der Westfassade auf die grosse Spielwiese gerichtet, neben dem von aussen zugänglichen Geräteraum.
Treppenanlagen
Die breiten Treppenanlagen in der Verlängerung der Eingangshallen verbinden die drei Geschosse des Gebäudes untereinander. Die unterteilbare Doppelturnhalle mit angegliederter Bühne im Untergeschoss ist von Osten und Westen her belichtet und von den angrenzenden Pausen-, Sport- und Aufenthaltsbereichen auf dem Schulgelände einsehbar. Die Grundrisskonzeption mit der Küche, sechs Garderoben, Sanitäranlagen, Lager- und Technikräumen trägt den unterschiedlichen Nutzerbedürfnissen (Schule, Vereine, Veranstaltungen) in hohem Mass Rechnung. Die Bühne erhält über ein hoch liegendes Fensterband auf der Ostseite Tageslicht und liegt direkt am Fuss der südlichen Vertikalerschliessung. So entsteht ein multifunktional nutzbarer Raum, der ausserhalb von Vereinsbelegungen oder kulturellen Anlässen insbesondere auch der Schule als erweiterter Unterrichtsraum zur Verfügung steht. Die Garderoben sind über einen Aussenzugang, der auf der Seite zum Kindergarten angeordnet ist, direkt von den Aussensportanlagen her zugänglich.
Obergeschoss
Das Obergeschoss dient als reines Schulgeschoss. Das Lehrerzimmer und der Musikraum sind zweiseitig belichtet und liegen den zwei Aufgängen direkt gegenüber. Die nach Osten oder Westen orientierten Klassenzimmer profitieren von unterschiedlichen Ausblicken und Weitsichten. Die vorgelagerten Gruppenräume sind jeweils von zwei Unterrichtsräumen und von der Lernhalle zugänglich. Sie gliedern und bilden die mittlere Raumfigur. Die Unterscheidung der Raumhöhe durch Aufbauten mit seitlich einfallenden Oberlichtern in der mittleren Raumstruktur, schafft atmosphärisch unterschiedliche Bereiche innerhalb der konzentrierten aber offen gestalteten Lernlandschaft. Es ist ein grosszügiger, möblierbarer und somit vielseitig nutzbarer Raum, der Offenheit für Bewegung und verschiedene Lehr- und Lernbedürfnisse bietet.
Kindergarten
Die zwei Kindergartenabteilungen erhalten ihr eigenes Haus. Innerhalb der gesamten Anlage schaffen die Nähe und der Bezug des neuen Kindergartens zum bestehenden Kindergarten eine kleine, überschaubare Umgebung für die jüngsten Nutzer. Der Zugang erfolgt von Osten über den gedeckten Eingangsbereich in den gemeinsamen durchgehenden Garderoben- und Erschliessungsraum beider Abteilungen. Die luftigen, überhohen und sehr flexibel bespielbaren Unterrichtsräume sind zweiseitig belichtet und verbunden mit einem Gruppenraum. Niedrige, als Sitzbänkchen ausgebildete Brüstungen unterstützen den Aussenraumbezug. Vom gemeinsamen, mittleren Bereich gelangt man in den durch das Ensemble gebildeten geschützten Freiraum.
Texte: Jann Stoss, Maja Stoss, Urs Daunwalder
Bilder: Stoss Architekten, Roger Frei, Zürich