Nicole Burger: Wie aus dem Hut gezaubert
Nach vier Jahren Absenz im Aarauer Stadtrat drängt die SVP zurück in die Exekutive. Mit der Nomination von Nicole Burger ist der Ortspartei eine politische Überraschung gelungen, mit der noch vor Monaten niemand gerechnet hatte. Die vierfache Mutter und promovierte Juristin arbeitet im Teilzeitpensum für die Oberstaatsanwaltschaft.
Nicole Burger gilt als eine pragmatische, sachbezogene und lösungsorientierte Politikerin. Diese Fähigkeit hat sie als Kreisschulrätin wiederholt unter Beweis gestellt und zahlreiche Vorstösse eingereicht, die oft eine Mehrheit fanden. Nun will sie einen weiteren Schritt wagen und den Einzug in die Aarauer Exekutive versuchen. Einmal ganz abgesehen vom Wahlausgang, ist eines jetzt schon sicher. Durch Burgers Nomination versprechen die Stadtratswahlen nicht zum «Selbstläufer » zu werden. Aufgrund der Tatsache, dass Nicole Burger die Anerkennung und den Respekt über die Parteigrenzen hinweg geniesst, dürften ihre Chancen auf Erfolg durchaus intakt sein. Im Gespräch mit dem Landanzeiger legt die amtierende Kreisschulrätin dar, wieso sie einen der sieben Stadtratssitze besetzen möchte.
Nicole Burger, worin liegt Ihre Motivation, sich dieser Wahl zu stellen?
Nicole Burger: Ich selbst war überrascht, vielleicht sogar etwas überrumpelt, als mich die Findungskommission der SVP Aarau-Rohr anfragte, ob ich bereit für eine Nomination sei. Dieses Szenario hatte ich bis dahin schlicht nicht auf meinem Radar. Als Mutter, berufstätige Frau und Kreisschulrätin habe ich stets viel zu tun. Nach einer kurzen Bedenkzeit und viel Zuspruch von Freunden, Bekannten und Politikerinnen habe ich mich entschlossen, diese Herausforderung anzunehmen.
Sie sagen es selbst: Bereits jetzt haben Sie eine grosse Arbeitsbelastung durch zahlreiche Tätigkeiten, Funktionen und ihre private Situation. Wie wollen Sie eine weitere Aufgabe schaffen, ohne dabei andere zu vernachlässigen?
Burger: Es ist klar, dass ich im Falle einer Wahl mein derzeitiges Teilzeitpensum beim Kanton aufgeben würde. Privat haben wir – mein Mann und ich – bereits in der Vergangenheit Lösungen gefunden, so dass die «Last» des Familienmanagements nicht allein auf meinen Schultern lastet. Wir haben eine funktionierende Aufgabenteilung, insbesondere was den Haushalt und die Kinderbetreuung anbelangt. Es ist aber durchaus denkbar, dass mein Mann noch die eine oder andere Aufgabe zusätzlich übernimmt. Aber das diskutieren wir dann, wenn es so weit ist.
Sie werden als moderate, mehrheitsfähige und sachbezogene Politikerin bezeichnet. Wie viel «SVP» steckt denn noch wirklich in Ihnen?
Burger: (lacht) Selbstverständlich vertrete ich eine bürgerliche Politik. Es gibt aber gerade in der Lokalpolitik und insbesondere im Schulwesen Themen, die nicht parteipolitisch abgehandelt werden können. Da braucht es eben die Bereitschaft, auf andere Positionen zuzugehen, um einer tragfähigen Lösung den Weg zu bereiten. Dies ist in einer Stadtregierung wie jener in Aarau nicht anders. Natürlich soll im Vorfeld der Entscheidungsfindung kontrovers diskutiert werden. Es geht um den Wettbewerb der Ideen. Im Idealfall ergibt sich am Ende eine Lösung, mit der alle leben können.
Was ärgert Sie in der Politik am meisten?
Burger: Wenn guten Lösungen aus rein ideologischen Gründen der Weg verbaut wird. Ich finde es schade, dass zukunftsträchtige Projekte oder pragmatische Lösungen verworfen werden, weil sie nicht ins eine oder andere Parteiprogramm passen. Dieses ideologische Blockdenken kann mich manchmal schon an den Rand der Verzweiflung bringen.
Gehören Sie mit dieser Einstellung nicht eher zum progressiven, «netten» Flügel Ihrer Partei?
Burger: Ich halte weder etwas von Parteiflügeln noch von netter Politik, wie Sie es formulieren. Es geht um Lokalpolitik, und da wird nicht alles so heiss gegessen, wie es gekocht wird. Für mich ist ein politischer Entscheid entweder nützlich und zielführend für das Allgemeinwohl oder eben nicht. Ich kann aber auch eine Hartnäckigkeit an den Tag legen, wenn ich von einer Idee überzeugt bin. Das wissen meine Kolleginnen und Kollegen im Kreisschulrat.
Wieso sollen die Aarauerinnen und Aarauer Ihren Namen auf den Wahlzettel schreiben?
Burger: Damit sichergestellt ist, dass das gesamte politische Spektrum unserer Stadt auch in der Exekutive vertreten ist. Keine einzelne Partei hat das alleinseligmachende Wissen für sich gepachtet. Es geht mir auch um die ausgewogene Zusammensetzung der Stadtregierung. Regierungsarbeit besteht nun einmal aus Kompromissen, und das ist gut so. Am Ende, und dafür setze ich mich ein, soll die Bevölkerung das letzte Wort haben.
Verschiedentlich wurde die Kritik geäussert, dass Aarau aus den Quartieren Gönhard und Zelgli heraus regiert wird. Sie selbst bewohnen ein Einfamilienhaus im Zelgli. Können Sie diese Kritik nachvollziehen?
Burger: Durchaus. Andererseits ist jede und jeder der Gewählten, ob links oder rechts, jung oder alt, männlich oder weiblich, der gesamten Bevölkerung verpflichtet und nicht nur der eigenen Wählerschaft. Zumindest entspricht dies meinem Verständnis der Politik.
Ihr Ehemann Simon Burger ist ebenfalls aktiv in der Lokalpolitik und hatte den Sprung in den Stadtrat 2017 verpasst. Entmutig Sie das nicht?
Burger: Nein, das entmutigt mich nicht. Wer nicht bereit ist zu verlieren, sollte gar nicht erst zur Wahl antreten. Natürlich würde ich mich riesig über eine Wahl freuen. Aber es wäre weder ein Weltuntergang noch eine Schmach, wenn es nicht reichen würde. Ich gebe mein Bestes, um das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler zu gewinnen. Wenn das nicht reicht, so werde ich dies ohne Wenn und Aber akzeptieren. Letztlich ist mir wichtig, meinen Teil zum Milizsystem beizutragen. Dieses Engagement ist nicht an eine Stadtratswahl gebunden. Auch als Kreisschulrätin kann ich mich einbringen und dazu beitragen, dass unser Schulsystem gestärkt wird.
Wie beurteilen Sie Ihre Chancen, am 26. September als siebte Stadträtin gewählt zu werden?
Burger: Es stehen vier neue Kandidatinnen und Kandidaten zur Auswahl. Somit beträgt meine Chance rein rechnerisch 25 %. Ausserdem stehen gute bisherige Stadträtinnen und Stadträte zur Auswahl, die als «ungefährdet » gelten. Letztlich entscheidet die Mobilisierung der eigenen Wählerschaft sowie der Zusatzstimmen. Ich wünsche mir vor allem eine hohe Wahlbeteiligung, damit das Resultat, wie auch immer es dann ausschaut, alle Aarauerinnen und Aarauer im Stadtrat repräsentiert.